Jugendhilfeplan (2020-2025)


Rede Robert Erkan – Grüne Fraktion Hanau am 24.01.2022 in der Stadtverordnetenversammlung

Sehr geehrte Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funk, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ja, Hanau verjüngt sich, so Oberbürgermeister Claus Kaminsky vorhin in seiner Rede zur Einbringung
des Haushaltes. Da kommt der Jugendhilfeplan zeitgemäß und genau richtig.


Wie eben Bürgermeister Axel Weiß-Thiel eben einleitend ausführte, liegt in dem Jugendhilfeplan ein
Paradigmenwechsel inhaltlicher Art zugrunde.


Das freut uns, weil schon lange immer wieder von mir und uns gefordert.
Warum? Der Jugendhilfeplanentwurf steht im Lichte von:

  • der letzte Jugendhilfeplan liegt 25 Jahre zurück (1996), ganze Jugendgenerationen wurden
    vernachlässigt, sie wurden zu wenig in den Fokus genommen – gesellschaftlich, kommunalpolitisch
    wie inhaltlich.
  • die lückenhafte wie bedarfsgerechte Jugendarbeit der letzten 15 Jahre. Stichwort sind: lange Jahre
    lebten wir gezwungenermaßen mit sozialen Kürzungen, offene Treffs wurden reihenweise
    geschlossen und zu wenig flächendeckende Jugendarbeit.
  • der 19.02, die insbesondere neben den Betroffenen besonders die Jugend getroffen hat.
  • die Pandemie der letzten zwei Jahre die für Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung/Entfaltung
    besonders gefordert wie auch gebremst hat..

Der neue Jugendhilfeplan liegt uns nun unter diesem Lichte heute vor, das ist daher eine sehr gute
Nachricht.
Wir die Grüne Fraktion freuen sich unisono, dass er substanziell, weil erfreulicherweise selbstkritisch
auch unangenehme Felder benannt werden, so das erste Ergebnis der „Jugendhilfearbeitsgruppe“ der
Fraktion der Grünen.
Das möchten wir an dieser Stelle ernsthaft positiv herausstreichen, die selbstkritische
Bestandaufnahme und der IST-Stand, Grundlage eines jeden guten Planes, als auch die daraus
entwickelten zehn Handlungsempfehlungen, sind weitestgehend gelungen.

  1. Der Jugendhilfeplan, auch wenn wie zitiert, „keine wissenschaftliche Arbeit ist“, erklärt die offene
    Kinder und Jugendarbeit (OKJA) und deren Prinzipien, Ziele, Aufgaben, klar wie sehr lesefreundlich.
    Vor allem geht es hier um einen Plan – und das liebe Kolleginnen und Kollegen – für junge Menschen
    ab 12 Jahre bis 27 Jahre, also von der Jugend bis weit in das junge Erwachsenenalter hinein. Nichts
    Neues, dennoch wichtig hier das klare Benennen per Definition. Die OKJA verfolgt darin gesetzlich
    verankert des Weiteren einen partizipativen Ansatz weg von Defizitorientierung hin zu
    Ressourcenorientierung.
  2. Der uns vorgelegte Jugendhilfeplan (JHP) hat erfreulicherweise zehn herausragende selbstkritische
    Passagen:
    1. Der JHP soll nun alle 5 Jahre gemacht werden, wie es der Bürgermeister im Entwurf bereits
      zugesagt hat, eine erfreuliche Erkenntnis und Nachricht.
    2. Es wird schriftlich bestätigt, die städtische Strategie der Mehrgenerationenhäuser, deckten
      Familien und Kinder bis 12 Jahre zwar gut bis sehr gut ab, beschnitten allerdings zulasten der
      Leistungen und Bedarfe von 14-26 Jährigen, wo dort notwendige Personalressourcen, ich
      zitiere „aus den Rippen geschnitten wurden“.
    3. Der JHP konsterniert und erkennt eindeutig an, es gibt nur noch ein echtes Jugendzentrum
      (JUZ Kesselstadt) in Hanau und hat Bedarf von einem neuen Jugendzentrum in der
      Innenstadt. Hierbei ist es wichtig, und es wird an fast allen Stellen immer wieder betont, dass
      eine Einrichtung sein muss, die an den echten Bedarfen der Jugendlichen orientiert ist.
    4. Es wird deutlich attestiert, es gibt zu wenige Freizeitorte, feste Orte, „sichere“ Freiräume, mobile Orte in allen Stadtteilen. Stichwort, Jugendliche werden, wenn sie in Erscheinung treten, oft als Problemgruppe etikettiert und mitunter auch so behandelt.
    5. Der JHP bemängelt keine genügende mobile Jugendarbeit
    6. Der Jugendhilfeplan mahnt an, dass Jugendliche vielmehr an der Entwicklung und Gestaltung ihres Lebensortes teilhaben zu lassen, als von Erwachsenen vorgegeben zu bekommen, was gut für sie sei, Stichwort „Active Citizenship“
    7. Der Jugendhilfeplan spielt die Leistungen miteinander nicht aus, sondern sagt eine gute Mischung der Anlaufstellen und spezialisierte Angebote Familien/Mehrgenerationenhäuser vs. Jugendzentren als wichtig wie notwendig. Dieser Gedanke ist wichtig, es soll Leistungen nicht miteinander ausgespielt werden, sondern haben ihre wichtigen Berechtigungen.
    8. JHP sagt mehr Monitoring und ein besseres Berichtswesen ist nötig. Wir sagen da unbedingt ja, allerdings ohne mehr Bürokratie oder zu Lasten der inhaltlichen Arbeit.
    9. JHP sagt mehr Koordinierung. Auch das Befürworten wir sehr.
    10. Der JHP stärkt auf mehr kontinuierliche Personalausstattung als nur Projektdenken.

Die aus diesen Punkten entwickelten zehn Handlungsempfehlungen, sind allesamt gut, allerdings in
vielen Teilen nicht konkret genug.


Genau das läge nahe in den Ausschüssen, im Ausländerbeirat und in den Ortsbeiräten konkretisiert
wie nachgeschärft werden müsste, die wir, wenn es zur Verweisung kommt, was beabsichtigt und
angekündigt wurde, wir hier und heute ins Stammbuch mit geben möchten. Daher stehe ich bereits
jetzt hier und nicht erst danach, wenn die Vorlage zurück aus den Ausschüssen kommt.
Denn, es kommt ein weiterer Herzenswunsch dazu:


Bitte laden Sie gleich jetzt Jugendliche aktiv in den öffentlichen Sitzungen ein, machen Sie gezielt im
Vorfeld Gesprächsrunden, auch in den Stadtteilen, in den Ortsbeiräten und das Jugendplenum kann
hier ganz bedeutsam eingebunden werden und nehmen sie Schülerbeiräte aller Schulformen
und/oder deren Stadtschülerbeiräte mit. Sie alle sind nebenbei unser Nachwuchs in der kommunalen
politischen Arbeit, egal welcher Parteifarbe. Und Hanauer Vereine einbinden, sie können mit
Jugendangeboten durch niederschwellige Angebote sich noch weiter öffnen.


Was für Jugendliche gut sein soll, ist dann gut, wenn selbstbestimmt und selbst entschieden, als „nur“
von Erwachsenen vorgegeben, was gut für sie seien, auch wenn sicherlich vieles „Gute“ und
„Richtige“ dabei ist.


Komme ich zu den zehn Handlungsempfehlungen, über die wir im Detail sicher noch sprechen und
debattieren werden, hier ein paar Anmerkungen:

  1. Zitat JHP: „Es ist somit zu prüfen, ob ein weiteres reines Jugendzentrum in Hanau etabliert werden
    muss“. Der Ort „ehem. Stadtbibliothek“ wird im JHP genannt, hier wird es sehr konkret und wir freuen
    uns auf die Debatte und deren Umsetzung.
  2. Zitat JHP: „Im Themenfeld Beteiligung gilt es nach Corona tragfähige, kontinuierliche und
    langfristige Strategien und Umsetzungsschritte zu entwickeln“. Das ist noch dünn, was/wie ist gemeint,
    hier braucht es Konkretisierung.
  3. Zitat JHP: „Viele Entwicklungsschritte und Experimentierfelder sind aber gerade nur in nicht
    institutionalisierten Freiräumen möglich. „Freiräume“ werden dabei als Räume definiert, in welchen die
    „eigenen Interessen entfaltet werden können.“ Auch hier braucht es eine Konkretisierung was das
    heißt.
  4. Das Forum ist laut JHP als Ort zu stärken. Eine mutige Überlegung. Über die Debatte freuen wir
    uns.
  5. Zitat JHP: „Insbesondere im Bereich Lamboy/Tümpelgarten sieht der Jugendhilfeplan aufgrund der dargestellten Zahlen und der bekannten Problemlagen im Stadtteil einen erheblichen Handlungsbedarf für die OKJA.“ Konkreter Bedarf erkannt, aber nicht konkretisiert, auch hier sind die Ortsteile und die Jugendliche tiefer zu befragen.
  1. Positiv ist, dass es eine koordinative Stelle kommen soll. Sowohl die Hochschule Fulda als auch die
    Expertinnen und Experten, mahnen die dauerhafte Einrichtung einer Stelle im Bereich der
    Jugendhilfe- bzw. Sozialplanung an. Eine entsprechend ausgestattete Stelle in der Jugendhilfe- bzw.
    Sozialplanung, kann u.a. als Instrument einer gut strukturierten und zukunftsfähigen OKJA dienen.
  2. In der Personalausstattung und in der Altersstruktur ist besonderer Handlungsbedarf identifiziert
    worden. Hier wird es spannend, Personalzubau wie und wie viele als auch die der gezielten
    Verjüngung, das liegt der Plan nicht vor, da braucht es klare Zahlen.
  3. Bessere Beteiligung der Jugendliche, das hatte ich vorhin schon angemerkt, eine zentrale
    Anforderung und Leitfaden.
  4. Eine bessere Dokumentation und Berichtswesen, das steht hier klar im Stammbuch im JHP.
  5. Zitat „JHP“: Es ist zu prüfen, ob ein weiteres Angebot der mobilen Jugendarbeit in Hanau etabliert
    werden sollte. Im Fokus sollten hierbei insbesondere die Stadtteile ohne stationäre Einrichtungen der
    OKJA stehen

Nun, bevor ich zum Schluss komme, zu einem von drei Punkten was im JHP fundamental im
Handlungskatalog aus unserer Sicht fehlt:
Die Stadtteile Innenstadt und Lamboy sind genannt, als Fokus und Erweiterung. Gut so.
Wenn es einen eklatanten Mangel gibt, dann hier, die anderen Stadtteile werden leider gar nicht bis
wenig betrachtet, wie die Mainsüdseite Hanaus, Kleinauheim und Steinheim, sie werden gar nicht
erwähnt, aber auch Fehlanzeige Grossauheim oder Wolfgang, wo mit „Bautz“ und „Pioneer“ die
Einwohnerzahlen in den nächsten Jahren schon jetzt erwartbar vierstellig wachsen wird. Hier bitten
wir, dass die Ortsbeiräte, egal welcher Parteifarbe, darauf zu achten für gute flächendeckende
Jugendarbeit auch in ihren Stadtteilen mit zu sorgen.
Wir sollten nicht nur Dinge richtig machen, sondern sollten auch die richtigen Dinge machen.
Vielen Dank.