Lebendige Demokratie und Bürgerbeteiligung

Die Auseinandersetzung um das Bahnprojekt Stuttgart 21 zeigt, dass Bürgerinnen und Bürger, insbesondere wenn es um Projekte „vor der Haustür“ geht, besser und direkter an Entscheidungsprozessen beteiligt werden wollen. Das derzeitige demokratische Verfahren, alle vier Jahre „sein Kreuzchen“ machen zu dürfen und den parlamentarischen Gremien die alleinige Entscheidung zu überlassen, trifft immer weniger auf Zustimmung. Die allgemein verbreitete Meinung, „die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“, manifestiert sich schleichend in stetig sinkender Beteiligung an den Wahlen.

 

In Hessen gibt es zwar das Mittel des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids. Es werden jedoch hohe Hürden gesetzt. Selbst bei Planfeststellungsverfahren oder bei Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, wie z.B. beim geplanten Block 6 am Kraftwerk Staudinger finden sich nur wenige Mutige, die es wagen, sich der geballten Macht aus Antragstellern, Behörden und Gutachtern entgegenzustellen. Bürokratische Hürden, wie Einhaltung von Auslegungsfristen in den Rathäusern lassen so manchen Interessierten scheitern. Daher sollte insbesondere auf kommunaler Ebene darüber nachgedacht werden, wie die Betroffenen besser in Informations- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden können. In Hanau zeigt gerade der Wettbewerbliche Dialog, dass auch gute Informationen und Bürgerbeteiligung nicht darüber hinweg täuschen können, dass die Entscheidung nicht in Bürgerhand liegt.

 

In Stuttgart gab es im Schlichtungsprozess unter der Leitung des Schlichters Heiner Geißler neue Erfahrungen mit einem leider unbefriedigenden Schlichterspruch. Dabei wurde immer wieder auf das Modell Schweiz hingewiesen, bei dem Ziele, Planungen und Entscheidungen in einzelnen Etappen mit demokratischen Bürgerabstimmungen abgeschlossen werden. Man hätte sich ein ähnliches Modell auch im Wettbewerblichen Dialog vorstellen können; denn es handelt sich, wie von allen bestätigt, um ein Jahrhundertprojekt. Selbst die Einrichtung eines Bürgerbeirats reicht nicht aus, um Bürgerinnen und Bürger das Gefühl zu geben, tatsächlich beteiligt zu sein und mitentscheiden zu können.

 

Daher könnte es ein Versuch wert sein, z.B. bei der Erstellung und dem Beschluss eines wichtigen Bebauungsplans, wie z.B. für den Freiheitsplatz die Bürgerinnen und Bürger zuvor abstimmen zu lassen, um zumindest den Fraktionen im Rathaus vor einer Entscheidung ein deutliches Stimmungsbild der Bevölkerung zu vermitteln. Dieser Versuch sollte gewagt werden. Bürgerinnen und Bürger wollen als Betroffene und dann als Mitentscheider ernst genommen werden.

 

Daher:

 

  • Mehr direkte Demokratie wagen
  • Bürgerabstimmungen bei wichtigen Projekten über Ziele, Planung und Entscheidung vor dem endgültigen Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung